Logo Bund autonome Frauen Beratungsstellen bei sexueller Gewalt Österreich
Hilfe bekommen

Was kann ich tun?

Ich habe sexuelle Gewalt erlebt - was kann ich tun?

Ein sexueller Übergriff kann ein traumatisierendes Ereignis sein und Sie in einen seelischen Ausnahmezustand versetzen, bei dem Sie das Gefühl haben, den Boden zu verlieren.

Die Reaktionen auf eine sexuelle Gewalterfahrung sind vielfältig - wie die betroffenen Frauen und Mädchen und ihre jeweilige Lebenssituationen. Jede Reaktion ist angemessen. Es gibt kein "typisches" oder "richtiges" Verhalten nach dem Erleben sexueller Gewalt.

Hier finden Sie einige konkrete Tipps und Anregungen, die Ihnen dabei helfen können, ein Gefühl von Kontrolle über Ihr Leben zurück zu gewinnen und Stabilität wieder zu finden, wenn Sie das Gefühl haben, diese verloren zu haben.

Hilfestellungen, um das Erlebte zu bewältigen

DekofotoZuerst ist es wichtig, dass Sie wieder Boden unter den Füßen gewinnen, zu sich kommen können. Nach einem traumatischen Ereignis, wie es die Erfahrung von sexueller Gewalt ist, ist das Herstellen von innerer und äußerer Sicherheit ganz wichtig. Suchen Sie sich nach Möglichkeit eine Umgebung, in der Sie sich sicher und wohl fühlen.

Holen Sie sich Unterstützung/Hilfe von außen

In der ersten Zeit nach einem sexuellen Übergriff/einer Vergewaltigung, ist es hilfreich, sich mit verständnisvollen und unterstützenden Menschen zu umgeben. Dies können Familienangehörige, Freund*innen, Bekannte und auch Mitarbeiter*innen von Beratungseinrichtungen sein. Wem vertrauen Sie, wen möchten Sie in Ihrer Nähe haben? Können Sie die- oder denjenigen ohne ausführliche Erklärungen anrufen oder aufsuchen?

Sich an jemanden zu wenden, die/der Ihnen Sicherheit gibt, bedeutet nicht unbedingt, dass Sie über das Geschehene reden sollen oder gar müssen. Es ist völlig in Ordnung, wenn Sie das nicht tun möchten. Dann kann es helfen, wenn Sie sich vorab überlegen, was Sie auf die Frage „Was ist mit dir los?“ antworten werden. Sie müssen jedenfalls nicht erzählen, was Sie in diesen Ausnahmezustand versetzt hat. Sie entscheiden, wem sie was, wann und wieviel erzählen.

Schritte zur Beruhigung, Wiederfinden von Stabilität

Überlegen Sie sich, was Sie gern tun, was Ihnen Freude bereitet. Was hilft Ihnen in schwierigen Situationen, was war in der Vergangenheit hilfreich? Versuchen Sie, alles was Sie entlasten könnte, und Ihnen guttut, zu nutzen. Das kann ein strukturierter Tagesablauf sein, ein bestimmter Film oder das Lesen eines Lieblingsbuches, körperliche Aktivität oder das Gespräch mit einer/einem Freund*in. Haben Sie Geduld mit sich.

Auch Gegenstände können Menschen ein positives und geborgenes Gefühl vermitteln. Wenn Sie so einen Gegenstand haben, der Ihnen positive Erinnerungen und Gefühle vermittelt (ein Kleidungs- oder Schmuckstück, Souvenir einer Reise, Kuscheltier, ….), holen Sie ihn hervor.

Einige Reaktionen und Symptome nach einer Vergewaltigung oder einem sexuellen Übergriff können Ihnen das Gefühl geben „verrückt zu werden". Informieren Sie sich über mögliche Symptome und Verhaltensweisen (z.B. bei spezialisierten Beratungsstellen, Therapeut*innen, in Broschüren (siehe auch die Seite Über sexuelle Gewalt). Mit dem Wissen darüber können Sie Ihre eigenen Reaktionen leichter einordnen und besser verstehen. Das ermöglicht es Ihnen, sich selbst zu helfen, sich zu beruhigen und Sicherheit zurückzugewinnen.

Umgang mit Gefühlen und emotionalen Reaktionen

Wenn Sie Gefühle wie Wut, Zorn, Trauer, Scham, Schuld, etc. haben, lassen Sie sie zu. Wenn Sie können und dies möchten, sprechen Sie über diese Gefühle, über Ihre Gewalterfahrung. All diese Gefühle sind völlig normal und angemessen. Achten Sie nur darauf, sich dabei nicht zu sehr in Detailschilderungen über das Erlebte zu verlieren, um nicht von aufkommenden Gefühlen und Bildern überschwemmt zu werden.

In der ersten Zeit nach einem traumatischen Erlebnis ist es wichtig, dass Sie die Möglichkeit haben sich selbst zu beruhigen, Distanz zu dem Geschehenen herzustellen und sich bewusst zu machen, dass Ihr bisheriges Leben nicht nur aus dem traumatischen Ereignis besteht.

Hilfe bei Flashbacks: Flashbacks sind blitzartig und unwillkürlich einsetzende Rückblenden auf das Erlebte. Diese können sehr intensiv und realitätsnah sein. Dadurch können Sie Gefahr laufen, das Geschehene psychisch wieder zu erleben (Retraumatisierung). Körperliche Bewegung kann Ihnen in solchen Situationen helfen (aufstehen, mit den Füßen aufstampfen, den Raum verlassen und umhergehen etc.) Wichtig ist, dass Sie sich bewusst sind beziehungsweise werden, dass es sich dabei um eine Erinnerung aus der Vergangenheit handelt. (Siehe dazu auch die Broschüre Sexuelle Gewalt und Trauma, TARA, 2018).

Praktische Fragen und Tipps

Medizinische Versorgung

Eine gute und ausreichende medizinische Versorgung ist bei traumatischen Ereignissen ebenso wichtig wie bei körperlichen Verletzungen.

Akutversorgung: Wenn Sie nach einer Vergewaltigung oder einem sexuellen Übergriff so schwer verletzt sind, dass es notwendig ist eine Ärzt*in aufzusuchen, kann es hilfreich sein, sich von einer vertrauten Person begleiten zu lassen. Wenn Sie Angst haben, sich mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt zu haben, sollten Sie dies mit der Ärzt*in Ihres Vertrauens abklären. Wenn Sie Angst haben, durch eine Vergewaltigung schwanger zu sein, sprechen Sie mit Ihrer Ärzt*in, einer Vertrauensperson oder einer professionellen Beraterin darüber (hier finden Sie Informationen zu Schwangerschaftsabbruch in Österreich).

Wenn Sie sich medizinisch versorgen lassen, denken Sie daran, mögliche Spuren sichern zu lassen. Eine medizinische Befundsicherung kann im Hinblick auf ein mögliches Strafverfahren von großer Bedeutung sein, auch wenn es Ihnen im Moment wahrscheinlich sehr schwerfällt und Sie nicht an eine Anzeige denken wollen oder können. Eine medizinische Untersuchung muss nicht automatisch mit einer Anzeige verbunden sein. Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie die Polizei informieren wollen oder nicht. Gesetzlich muss sich das Gesundheitspersonal hinsichtlich einer Anzeige nach Ihrem Willen richten, vorausgesetzt Sie sind volljährig, handlungs- oder entscheidungsfähig, es besteht keine unmittelbare Gefahr für Sie oder andere, und die klinisch-forensischen Spuren sind ärztlich gesichert (§ 54 Abs. 5 ÄrzteG).

Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie nicht mehr zur Ruhe kommen können, Sie von Ihren Gefühlen ständig überflutet werden oder andere Symptome auftreten, kann eine vorübergehende Einnahme von Medikamenten sinnvoll sein. Ziel dabei ist, ein gewisses Maß an Sicherheit wiederzuerlangen.

Rechtliche Informationen & Beratung

Wenn Sie das Gefühl haben, Sie wollen sich wehren, die Tat nicht verschweigen, weitere Gewalt verhindern, sich rächen, etc…: kontaktieren Sie eine Frauenberatungsstelle bei sexueller Gewalt und lassen sich rechtlich beraten. Eine Anzeige und ein nachfolgendes Strafverfahren können eine enorme emotionale Belastung sein, oder auch hilfreich für die Be- und Verarbeitung der erlebten Gewalt sein. Wir empfehlen Ihnen, sich ausreichend zu informieren, bevor Sie rechtliche Schritte unternehmen, damit Sie für sich eine gute und wohlüberlegte Entscheidung treffen können. Sollten Sie sich für eine Anzeige entscheiden, nehmen Sie eine psychosoziale und juristische Prozessbegleitung in Anspruch (siehe nähere Informationen auch auf der Seite: Rechtliche Informationen-> Prozessbegleitung).

Erstellen Sie ein Gedächtnisprotokoll: Egal ob Sie Anzeige erstatten oder nicht, erstellen Sie ein Gedächtnisprotokoll. Schreiben Sie die wichtigsten Eckdaten auf. Dabei muss das Geschehene nicht chronologisch in allen Details wiedergegeben werden. Davon raten wir Ihnen ab, das birgt die Gefahr einer Retraumatisierung. Für eine mögliche spätere Anzeigenerstattung kann ein Gedächtnisprotokoll aber eine große Bedeutung haben.

Die Mitarbeiterinnen unserer Fachberatungsstellen beraten und unterstützen Sie vertraulich und kostenlos: Kontaktieren Sie uns!

Grundlegende Informationen

Was ist sexuelle Gewalt und was sind die möglichen Folgen und Auswirkungen?

Über sexuelle Gewalt

Prozessbegleitung (PB)

Was ist und bedeutet Prozessbegleitung? Welche Rechte habe ich im Strafverfahren?

Rechtsinformationen

Beratung & Unterstützung

Wo kann ich mich informieren, wo ist die Beratungsstelle bei sexueller Gewalt in meinem Bundesland?

Beratungsstelle finden