Unterstützung durch Bezugspersonen
Möchten Sie eine Frau oder ein Mädchen unterstützen, die Ihnen nahesteht und sexuelle Gewalt erlebt hat? Auf dieser Seite finden Sie Informationen und Tipps dazu, was für Betroffene hilfreich sein kann und warum manche „gut gemeinten Ratschläge“ oder Reaktionen nicht unterstützend sind. Außerdem finden Sie unten einige Antworten auf häufige Fragen von Angehörigen.
Es ist nicht einfach, über sexuelle Gewalt zu sprechen und sich damit auseinander zu setzen, auch nicht für Angehörige oder Bezugspersonen.
Die Schilderung eines sexuellen Übergriffs kann Gespräche zum Erliegen bringen, sie verursacht Betroffenheit oder peinliches Schweigen, da sie an eine Vielzahl von Ängsten rührt. Tatsächlich benötigen Menschen, die Gewalt erlebt haben das Gefühl der Dazugehörigkeit, Sicherheit, des Vertrauens und tragfähiger Beziehungen.
Tipps für Angehörige und das soziale Umfeld
Aus jahrzehntelanger Erfahrung in der Beratung von Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, können wir einige Hinweise dazu geben, welche Reaktionen und Verhaltensweisen des sozialen Umfelds für die Betroffenen hilfreich sein können und was vermieden werden sollte.
Befindet sich eine Frau oder ein Mädchen nach einem sexuellen Übergriff in einer akuten Krise (Schockphase), kann die praktische Unterstützung bei der Absicherung von Grundbedürfnissen hilfreich sein. Das kann die Unterstützung mit medizinischer Versorgung sein oder die Essenszubereitung. Aber auch emotionale Sicherheit und Stabilität zu geben (Geborgenheit, in der Nähe sein,…). Manchmal ist es besser, die Betroffene in Ruhe zu lassen, aber in der Nähe zu bleiben und ansprechbar zu sein. Auch das Angebot, regelmäßig telefonisch erreichbar zu sein, ist sinnvoll.
Gestehen Sie der Person ihre Gefühle zu (z.B. Angst, Wut, Traurigkeit, Schuld- und Schamgefühle, Selbstekel etc.). Versuchen Sie, die Schilderungen der Gewalterfahrung als Zuhörer*in auszuhalten. - Das Zugestehen des Erlebten und ermutigender Zuspruch in längeren Gesprächen helfen dabei, den ersten Schock zu mildern. Setzen Sie sich dabei nicht selbst unter Druck - es geht nicht darum, etwas besonders Kluges zu sagen, noch Worte zu finden, die „alles wieder gut machen“ können, sondern vielmehr, einfach zuzuhören.
Was Sie tun können:
- Zeigen Sie der Frau/dem Mädchen, dass Sie für sie da sind, stellen Sie sich auf sie ein.
- Reagieren Sie verständnisvoll, mit Zurückhaltung und Sorge auf ihre Schilderungen und Reaktionen.
- Akzeptieren Sie den Umgang der Betroffenen mit dem Geschehenen, auch wenn Sie diesen vielleicht nicht nachvollziehen können.
- Überlegen Sie gemeinsam mit der Frau, dem Mädchen, welche Strategien oder Verhaltensweisen sie in ihrem bisherigen Leben bereits entwickelt hat, um mit bedrohlichen Situationen umzugehen: Was tut dir gut? Was lenkt dich ab? Wodurch kommst du zur Ruhe?
- Das Reden über Alltägliches und Planen von Aktivitäten kann dabei helfen, ein Gefühl von Kontrolle und Selbstbestimmung über das eigene Leben wieder zu gewinnen.
- Zeigen Sie Respekt und akzeptieren Sie, wenn die Frau/ das Mädchen etwas nicht möchte (z.B. ein gut gemeintes Unterstützungsangebot).
- Holen Sie sich Informationen ein.
- Informieren Sie die Frau/das Mädchen über die Möglichkeiten der Beratung in einer spezialisierten Beratungsstelle.
Es ist für Betroffene sexueller Gewalt wichtig, ein Gefühl von Kontrolle und Selbstbestimmung zurückzugewinnen. Unterstützen Sie sie also dabei, Situationen selbst bestimmen und handhaben zu können. Entscheidungen über die nächsten Schritte sollen bei der betroffenen Frau bleiben, sonst kommt es zu einem erneuten Kontrollverlust.
Was sie vermeiden sollten:
- Drängen Sie die betroffene Frau oder das Mädchen zu keinem Schritt oder keiner Aktivität (z.B. Anzeige zu erstatten).
- Geben Sie sich nicht möglichen eigenen Gefühlen und Reaktionen hin (Vergeltungswünsche, Wut, Hass usw.). Auch ein überbeschützendes Verhalten ist nicht hilfreich.
- Setzen Sie die betroffene Frau oder Mädchen keinem „Verhör“ aus (z.B. forderndes, unablässiges Fragen Stellen).
- Vermeiden Sie jegliche Vorwürfe oder vorwurfsvolles Verhalten.
Eine Folge der gesellschaftlichen Tabuisierung und der noch immer wirksamen gesellschaftlichen Ungleichheiten ist eine – uns oft unbewusste –Verdächtigung bzw. Beschuldigung von Opfern sexueller Gewalt. Das äußert sich etwa in Fragen nach Kleidung oder Alkoholkonsum zum Zeitpunkt eines sexuellen Übergriffes, als hätten diese einen Übergriff provoziert. Das haben sie nicht! Allein der Täter ist für eine sexuelle Gewalttat oder Belästigung verantwortlich.
Machen Sie sich bewusst, dass Ihr Verhalten, Ihre Fragen oder Kommentare, Ihre Reaktion auf die Schilderung einer sexuellen Gewalterfahrung von diesen gesellschaftlichen Normen geprägt sein könnten und versuchen Sie diese zu vermeiden. Mit Schuldzuweisungen oder Vorwürfen verstärken Sie die negativen Folgen der sexuellen Gewalt für die betroffene Frau oder Mädchen.
Für nähere Informationen oder bei Fragen wenden Sie sich bitte an die FB bei sexueller Gewalt in ihrem Bundesland. Diese können auf Wunsch auch anonym kontaktiert werden. Beratungsstelle finden